Vorgeschichte:
Im Jahr 2007 hatte die schwedische Gesellschaft „Norrtelje Brenneri Aktiebolag“ eine nationale Marke für alkoholische Getränke der Klasse 33 nach der internationalen Klassifikation des Abkommens von Nizza unter dem Wort- und Bildzeichen (im Folgenden: „ältere Marke“)
eingetragen.
Dieser Eintragung ist eine Verzichtserklärung beigefügt, mit der es festgestellt wird, dass die „Eintragung kein ausschlieβliches Recht an dem Wort „Roslagspunsch“ verleiht“. Die Aufnahme von solcher Erklärung war vom Anmeldeamt als Voraussetzung für die Eintragung der älteren Marke verlangt worden, da der Begriff „Roslags“ auf eine Region in Schweden verweise und der Begriff „Punsch“ eine der von dieser Eintragung erfassten Waren beschreibe.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 hatte Herr Hansson beim Anmeldeamt die Anmeldung des Wortzeichens „ROSLAGSÖL“ als nationale Marke für Waren der Klasse 32 des Abkommens von Nizza, besonders für nichtalkoholische Getränke und Biere, beantragt.
Das Anmeldeamt wies diese Anmeldung zurück, weil es ein Verwechslungsgefahr zwischen diesem Zeichen und der älteren Marke gab. Das Anmeldeamt stellte fest, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen mit dem beschreibenden Begriff „Roslags“ begännen. Die Tat, dass die Zeichen darüber hinaus weitere Wort- oder Bildelemente enthielten, beschränkte gar nicht die Ähnlichkeit der Marken, weil das Wort „Roslags“ ein dominierender Bestandteil der beiden Zeichen sei. Andererseits erfassten die Zeichen identische oder ähnliche Waren, die über dieselben Absatzkanäle vertrieben werden und sich an denselben Kundenkreis wenden könnten.
Vorabentscheidung
Das schwedische Berufungsgericht mit Amtsitz in Stockholm (Svea hovrätt, Patent- och marknadsöverdomstolen) legt dem Gerichtshof der Europäischen Union die folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. B der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen, dass die Gesamtbeurteilung aller relevanten Faktoren, die bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr durchzuführen ist, dadurch beeinflusst werden kann, dass ein Bestandteil der Marke bei der Eintragung ausdrücklich vom Schutz ausgenommen wurde, d. h., dass ein sogennanter Disclaimer (Verzicht auf Anspruch auf ausschlieβende Rechte) in die Eintragung aufgenommen wurde?
Im Urteil wurde Folgendes für Recht erkannt:
Art. 4 Abs. 1 Buchst. b) der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine Verzichtserklärung vorsieht, die bewirken würde, einen von dieser Erklärung erfassten Bestandteil einer zusammengesetzten Marke von der Gesamtprüfung der für die Feststellung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr im Sinne der genannten Bestimmung relevanten Faktoren auszuschlieβen oder diesem Bestandteil im Rahmen dieser Prüfung von vornherein und dauerhaft eine begrenzte Bedeutung beizumessen.